Monday, June 11, 2007

MARTIN OPITZ (1597-1639)





ACH LIEBSTE LASZ UNS EILEN

Ach liebste laß uns eilen
Wir haben Zeit
Es schadet das verweilen
Uns beyderseit.
Der Edlen Schönheit Gaben
Fliehen fuß für fuß:
Daß alles was wir haben
Verschwinden muß.
Der Wangen Ziehr verbleichet
Das Haar wird greiß
Der Augen Feuer weichet
Die Brunst wird Eiß.
Das Mündlein von Corallen
Wird umgestalt
Die Händ' als Schnee verfallen
Und du wirst alt.
Drumb laß uns jetzt geniessen
Der Jugend Frucht
Eh' wir folgen müssen
Der Jahre Flucht.
Wo du dich selber liebest
So liebe mich
Gieb mir das wann du giebest
Verlier auch ich.



FRANCISCI PETRARCHAE SONNET XXI

ISt Liebe lauter nichts / wie daß sie mich entzündet?
Ist sie dann gleichwol was / wem ist ihr Thun bewust?
Ist sie auch gut vnd recht / wie bringt sie böse Lust?
Ist sie nicht gut / wie daß man Frewd' auß jhr empfindet?
Lieb' ich ohn allen Zwang / wie kan ich schmertzen tragen?
Muß ich es thun / was hilfft's daß ich solch Trawren führ'?
Heb' ich es vngern an / wer dann befihlt es mir?
Thue ich es aber gern'/ vmb was hab' ich zu klagen?
Ich wancke wie das Graß so von den kühlen Winden
Vmb Vesperzeit bald hin geneiget wird / bald her:
Ich walle wie ein Schiff das durch das wilde Meer
Von Wellen vmbgejagt nicht kan zu Rande finden.
Ich weiß nicht was ich wil / ich wil nicht was ich weiß:
Im Sommer ist mir kalt / im Winter ist mir heiß.



AN DIE AUGEN SEINER JUNGFRAWEN
(FAST AUSZ DEM HOLLÄNDISCHEN)


LEitsternen meines Haupts / vnd meiner jungen Zeit /
Die als Planeten sind gesetzet meinem Leben /
Jhr Augen / wann ich euch so freundlich sehe schweben /
So bin ich als entzückt / vnd kenne gantz kein Leid.
Dann jhr beschliest in euch ein' hohe Liebligkeit /
Vnd lieblich' Hoheit; jhr / jhr könnt alleine geben
Genüge / rechte Lust: wornach wir Männer streben
Das habt jhr / O mein Liecht / vor allem weit vnd breit.
Natura selber liegt im Tunckeln fast begraben /
Vnd mangelt ihres Liechts / von wegen jhrer Gaben /
Die gantz versamblet sind in solcher engen statt,
Doch ist sie enge nicht / vnd kann sich weit ergiessen /
Ja were groß genung fast alles einzuschließen /
Weil sich mein' arme Seel' in ihr verirret hat.



DASZ DIE POETEREY VNSTERBLICH SEY


WAs wirffstu / schnöder Neid / mir für die Lust zu schreiben
Von Venus / vnd mit jhr die Jugend zu vertreiben?
Ich achte deiner nicht / du liebest Eitelkeit:
Mein Lob vnd Name wird erklingen weit vnd breit.
Cupido führet mich in eine grüne Wüsten /
Da der Poeten Volck weit von Begier vnd Lüsten /
Vorzeiten hat gelebt wie noch die erste Welt
Nichts von den Städten wust' / vnd wohnet vmb das Feld.
Die Nymphen werden mir den Lorberkrantz auffsetzen /
Mit meinen Versen wird sich Erato ergetzen:
So weit die grüne Lust vnd hohen Wälder gehn /
So weit wird mein Gedicht' an allen Bäumen stehn.
Jhr örter voller Frewd' / jhr Auffenthalt der Hirten /
Jhr Bäch' / jhr Ahornbäum' / jhr Quell / jhr zarten Myrten /
Jhr Thäler / jhr Gebirg' / jhr Blumen vnd jhr Stein' /
Jhr Wohnhauß aller Rhu / bey euch wüntsch ich zu seyn;
Sonst nirgends als bey euch: von ewrer Lust besessen
Wil ich deß irrdischen / vnd meiner selbst / vergessen.
Wie Perseus als er erst Andromeden erblickt /
Ward mitten in der Lufft durch ihre Ziehr verzückt /
So daß er kaum das Roß vermochte zu regieren:
So soll auch mich von euch kein andre Liebe führen /
Biß mich der Letzte Todt hier vnversehens kriegt /
Vnd Venus mich begräbt wo jhr Adonis liegt.



ECHO ODER WIEDERSCHALL

DIß Ort mit Bäumen gantz vmbgeben /
Da nichts als Furcht vnd Schatten schweben /
Da Trawrigkeit sich hin verfügt /
Da alles wüst' vnd öde liegt /
Da auch die Sonne nicht hinweichet /
Da gifftig Vngezieffer schleichet /
Da gar kein Wasser sich ergeust /
Als das auß meinen Augen fleust /
Da gar kein Liecht nicht wird erkennet /
Als daß auß meinem Hertzen brennet /
Bedüncket mich bequeme seyn /
Da ich mich klag' ab meiner Pein /
Ab meiner Pein vnd tieffstem Leiden /
Daß mich jetzund wird von mir scheiden;
Doch ehe der gewüntschte Tod
Mit Frewden abhilfft meiner Noth /
Will ich von meiner Liebe klagen /
Vnd / ob schon gantz vergeblich / fragen /
Ist dann niemand der tröste mich /
Weil ich so trawer' jnniglich? Ich.
O Echo / wirst nur du alleine
Hinfort mich trösten / vnd sonst keine? eine.
Wie soll sie leschen meinen Brandt /
Ist sie mir doch noch vnbekandt? bekandt.
Sie wil es aber nicht verstehen /
Lest mich in Angst ohn Ablaß gehen. laß gehen.
Verleuret sich denn ja mein Leidt /
Wem soll ichs dancken mit der Zeit? der Zeit.
So ist nun Noth daß ich verscharre
Das Fewer / vnd der Stund' erharre? harre.
Wenn ich zu lange harren solt'
Hülff etwas meiner Vngedult? Gedult.
Vielleichte möcht' ich sterben ehe /
Weil ich im höchsten Elend gehe? entgehe.
So folg' ich deinem Rathe schlecht /
Hoff' alles werde gut vnd recht. recht.
Nun bin ich vieler Noth entbunden /
Vnd habe guten Trost empfunden.
Du vnbewohnte Trawrigkeit /
Jhr Hecken voll von meinem Leid' /
Jhr schwartzen Hölen vnd jhr Wüsten /
Da Eulen / Natern / Schlangen nisten /
Du ödes Ort / gehabt euch wol;
Ich bin für Trawren Frewde voll /
Für Finsternüß such' ich die Sonnen /
Für Threnen einen kühlen Bronnen:
Die so Vertröstung mir gethan /
Ist so daß sie nicht lügen kan.



VBER DEN ABSCHIED EINER EDELEN JUNGFRAWEN. VTER EINES ANDERN NAMEN

GLeich wie zu Sommerszeit wann alles frölich blühet /
Vnnd man sich Wald / Feld / Berg vnnd Thal verjüngen sihet /
Vor aller Blumen Schar / so jrrgend mögen seyn /
Die zarte Lilie leßt blicken ihren Schein:
Es fliegen auff sie zu die Bienen hauffen weise /
Vnd saugen mit Begier die angenehme Speise /
Vnd wohlgeschmackten Safft; sie hebt ihr Haupt empor;
Es gläntzt ihr weisses Kleyd vor allen Blumen vor:
Jhr lieblicher Geruch erfrewet Hertz' vnd Sinnen;
Man muß ihr günstig seyn / vnd muß sie lieb gewinnen:
Der schöne Zephyrus wird gegen ihr entzünd /
Vnd weht auß Huld jhr zu den süssen Liebeswind.
Bald kömpt der scharpffe Nord gantz vnverhofft gebrauset
Quer vber Feld daher / pfeifft / heulet / singt vnd sauset /
Vnd nimpt die Lilie mit Vngestümme hin;
Die liebliche Gestalt bricht nichts nicht seinen Sinn.
Das grüne Feld beginnt vmb seine Zier zu trawren /
Die andern Blumen auch muß jhre Schwester tawren /
Die Bienen fliegen selbst vor Schmertz vnd Trawrigkeit
Verjrrt jetzt hin / jetzt her / vnd tragen grosses Leyd.
So bistu auch zuvor / du schöneste / gewesen /
Du stirbst / durch welch' ich mir verhoffte zu genesen /
O du mein Trost zuvor: jetzt bistu nackt vnd bloß /
Vnd kriegest einen Sarch vor deines Liebsten Schoß.
Du weisse Lilie / du Spiegel aller Tugend /
In deiner besten Blüt' vnd in der grünen Jugend
Kürtzt dir der grimme Tod dein schnelles Leben ab /
Vnd führet dich behend' auß dieser Welt ins Grab.
Doch bistu nun von jhr vnd jhrer Noth gerissen;
Ich muß hier ohne dich in Qual vnd Trawren büssen;
Ich wall' im weiten Meer / in Wellen aller Noth.
Du bist tod lebendig / ich bin lebendig tod.



VOM ABWESEN SEINER LIEBSTEN

WErd ich die Zeit wohl sehn / daß doch der Tag anbreche /
Darinnen ich mein Lieb noch endlich schawen soll?
Jhr Stunden laufft doch fort / fliegt weg als Wasserbäche:
Weil jhr so langsam seyd so bin ich trawrens voll.
Auff / Morgenröth / auff auff; spann' an des Phebus Pferde /
Vnd sprich / er solle fort / es sey schon ziemlich spat /
Daß er betrogen werd' / vnd nahe sich der Erde:
Ach Thetis laß ihn gehn den langen Sommergrad.
Du / Monde / kanstu dich denn also wol verweilen?
Wie lange seet doch der Morpheus Schlaffkraut auß?
Sieh' ob du nicht vermagst die Sonne zu ereilen /
Vnd einzukommen noch in jhr vergüldtes Hauß.
Ich muß noch manche stund' in Sorg' vnnd Kummer schweben /
Muß noch in Angst vnd Noth verbringen lange Zeit /
Eh' als der Tag anbricht / darinnen mich mein Leben
Bescheine durch das Liecht der hohen Freundligkeit.
Ach warumb hab' ich doch in mein Gemüt' empfangen
Jhr' vnerhörte Zier vnd Tugend gantz vnd gar?
Mein Hertze seufftzet stets / vnd brennet mit Verlangen /
Vnd macht mir einen Tag noch länger als ein Jahr.
Als mich das schnöde Glück' auß jhrer Hand gerissen /
Hat es zugleiche mich gerissen auch von mir:
Ich muß mein Hertze nun mit Threnen stets begießen:
Ich bin nicht bey mir selbst wann ich nicht bin bey jhr.
Ach solt' ich sehen nur jhr Göttliches Gesichte /
Wie selig weren mir Gedancken / Muth vnd Sinn!
Ein eintzig Augenblick von jhrem hellen Liechte /
Daß fast die Sternen trutzt / legt alles Trawren hin.
Ach keme doch die Zeit der hochgewünschten frewden /
Daß ich erblickte nur den wunderklaren schein.
Wann aber ich von jhr mich werde müssen scheiden /
Da wünsch' ich weiter dann im leben nicht zu seyn.

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